Reise zu den modernen Glasfenstern im Jura, zweite Auflage
Frauen Kultur- und Wandergruppe
Reise zu den modernen Glasfenstern im Jura, zweite Auflage
Am 16. August 2022 war es dann soweit: Auf vielseitigen Wunsch organisierte Elsbeth Stöcklin Moser, gemeinsam mit Roland, einen zweiten Teil des „Moderne Kirchenfenster im Jura“- Ausflugs, nachdem der erste, am 11. August 2020, auf so grosses Interesse gestossen war. [siehe Bericht im Mitteilungsheft 2/2020, von Anita Rechberger).
Für mich als Neumitglied war dies die erste Aktivität mit der BLT Frauengruppe, und ich war gespannt: 14 kunstinteressierte Personen folgten der Einladung, 7 Frauen und 5 Männer, sodass wir mit vier Autos zum Treffpunkt bei der Kirche in Oberrüti („Bruder Klaus Kapelle“, bei Liesberg/Riederwald) anreisen konnten. Dieses schöne, schlichte Bauwerk aus dem Jahr 1966 stand als erstes auf dem Programm, mit den prächtigen Glasfenstern von Hans Stocker, dem älteren Bruder des Ernst Stocker, Künstlername Coghuf. Hier erklärte uns Elsbeth anhand der Buntglasfenster die verschiedenen Herstellungstechniken: Die Bleirutentechnik und die Betonverglasung oder auch Dallglastechnik genannt. Das Malverfahren mit Schwarzlot konnten wir hier ebenfalls verfolgen.
Die Glasfenster waren von grosser Strahlkraft an diesem sonnendurchfluteten Tag – jedes einzelne abstrakt anmutende Fensterquadrat ist wie ein Bild gerahmt, besonders augenfällig die schmale, lange Figur des Kirchenpatrons Niklaus von Flüh, der mehr als die Hälfte eines der Längsfenster einnimmt, (Fotos 1a +1b)
Weiter ging es zur Chapelle de Notre-Dame de Lourdes (1827-28) des 477-Seelen-Dorfes Soyhières. Nach einer 100m-Mini-Wanderung über eine Blumenwiese voller Bienen und Schmetterlinge, etwas versteckt hinter Bäumen und einer Befestigungsanlage aus dem 2. Weltkrieg, eine zauberhafte Lichtung mit der Kapelle und den wunderschönen Glasfenstern des André Bréchet (aus Délemont, 1921-1993). Bekannt als Maler, Bildhauer und Glasmaler und auch Schüler von Fernand Léger, hatte er Buntglasfenster in 9 verschiedenen Kirchen im Jura gefertigt. Hier sind es die abstrakten Farbkompositionen, die uns in den Bann ziehen. (Foto 2a)
Ein magisch anmutender Flecken Erde – und als wir aus der Kapelle traten, hatten Elsbeth und Roland – Schwupps – Kaffee und Gipfeli für uns bereit, und Zeit zum Plaudern. (Foto 2b)
Gestärkt und angeregt fuhren wir weiter nach Moutier, einem weiteren Höhepunkt unserer Reise: Die Kirche (1963-67) von Architekt Hermann Baur, ist eine fantasievolle Konstruktion dreier mächtiger, übereinander liegender quadratischer Betonkörper. Die Innenausstattung des Künstlers H.G. Adam und die Fenster des französischen Künstlers Alfred Manessier (1911-93) haben inzwischen wahre Berühmtheit erlangt. Die Geometrie der Schlichtheit von aussen überrascht beim Eintritt in die Kirche mit einem ungemein starken Innenkonzept, beginnend mit dem Taufstein und den umgebenden Fenstern mit der weissen Taube, dem Symbol des Heiligen Geistes. (Foto 3a). Die hellen Farben vermitteln Licht und Freude – und das gesamte Gestaltungskonzept nahm uns alle gefangen. Das Hauptkirchenschiff wird auf der Rückseite mit einem 44m langen Glasfries erhellt. Dieses Farbband mit unterschiedlichen Farbklängen und Rhythmen illustrieren das Leben Marias in drei Abschnitten, welche die Freudenreichen Geheimnisse, die Schmerzhaften Geheimnisse und die Glorreichen Geheimnisse versinnbildlichen. Den Abschluss bildet wiederum ein langes helles, vertikales Lichtband, das Gottes Allgegenwart symbolisiert, wie Elsbeth erläuterte. (Foto 3b)
Die ausserordentlich starke atmosphärische Dichte dieser künstlerischen Ausgestaltung des Kirchenraumes verliessen wir tief beeindruckt --- und als wir draussen an unseren vier (offensichtlich falsch) parkierten Autos einen Busszettel vorfanden, kostete uns das nur einen Lacher! Wollen wir annehmen, dass die Gesamtbusse von CHF 160 dem Unterhalt der Kirche zugutekommen möge…
Bestens gelaunt fuhren wir zur nahe gelegenen Ortschaft Court, um im Restaurant „La Calèche“ unser Mittagessen einzunehmen. Die Zeit verging so schnell in fröhlicher Runde, beim Plaudern und Erzählen… für mich war es besonders interessant, beim Gedankenaustausch und Reflektieren über Gesehenes und Erlebtes, die Kultur- und Wandergruppe etwas näher kennen zu lernen. (Foto 4)
Unser nächstes Ziel galt dem Dorf Malleray, bzw. der Église Saint-Georges mit den Glasfenstern von Jean-Francois Comment (1919-2003). Die besondere Schönheit und Dynamik dieser Fenster wiederum ergibt sich durch die feinen geschwungenen Linien in den Bildern, die nirgends beginnen und nirgends aufhören – den blau und roten Farben in quadratischem Format, aber auch im langgezogenen Band unter der Decke. (Foto 5)
Auf unserer Rückreise machten wir Halt in Mettembert, bei der Kapelle Sainte-Anne (erbaut 1969 vom Architekten Paul Chèvre v. Delémont dank einer anonymen Spende), und den Glasfenstern des berühmten Coghuf. Die Glasmalereien, in schweres Blei gefasst, erzeugen viel Spannung bei genauer Betrachtung, nicht nur wegen der plakativen Farbverteilung, die ich persönlich als sehr grosszügig und mutig empfinde, sondern auch durch die Art und Weise, wie die Farbakzente gesetzt sind. (Fotos 6a + 6b)
Zum Abschluss durften wir dann noch die Fenster der Kirche von Pleigne besichtigen. Hier sind es die ersten bleigefassten Buntglasfenster, die der junge André Bréchet 1953 gestaltete. Es sind symbolisch abstrahierte Arbeiten, die die Nähe zu seinem Lehrer und Vorbild, Fernand Léger, erkennen lassen. (Foto 7a)
Nach einer kurzen witzigen Einlage, dem Trompe-l’oeil auf der Place Géneral-Guisan (Foto 7b) ging es – grosse Überraschung -- nicht in irgendein Café, sondern nach Movelier zu Elsbeth und Rolands wunderbarem Familien- und Ferienhaus, wo wir mit jurassischen Spezialitäten empfangen und verwöhnt wurden. (Foto 8). Ich muss gestehen, ich war überwältigt von so viel herzlicher Gastfreundschaft, und dann noch einen Blick in euer seit 1976 komplett umgebautes Familienhaus werfen zu dürfen, mit all den kostbaren Erinnerungen aus euren langen Familientraditionen - hat diesem Erlebnistag die Krone aufgesetzt! Eindrücklich und bereichernd in kultureller und menschlicher Hinsicht war dieser Tag und wir sind dir dankbar, liebe Elsbeth, für deine liebenswürdigen und fundierten Erläuterungen, und dir, Roland, fürs tatkräftige Mitorganisieren! Wir alle werden noch lange zehren von dem erlebnisreichen, sonnigen 16. August 2022, den wir miteinander so lustvoll und farbenfroh verbringen durften!
Ilse New