Singvoll am Schweizer Gesangsfestival in Gossau
Ich und zwei andere sitzen im Zug von St. Gallen nach Gossau. Wir sind bereits am Abend vorher ins Hotel Oberwaid angereist und das köstliche Essen vom Abend zuvor ist noch ganz frisch in unserer Erinnerung. Doch der Fokus an diesem Morgen liegt nicht darauf, was wir Tolles gegessen haben. Die Nervosität steigt, die Noten werden noch ein letztes Mal angeschaut und die Tonaufnahmen noch einmal gehört. Denn wir sind auf dem Weg zum Chorfestival, wo als Erstes das Konzert vor Experten ansteht.
Die Sonne scheint und auf dem Perron in Gossau treffen wir die restlichen Sängerinnen, alle schon ganz schick in Schwarz gekleidet und bereit für unseren Auftritt. Unser Festführer Alois erwartet uns schon, er führt uns mit Geschick zuerst zur Gepäckabgabe und dann zum Willkommenszelt. Auf dem Weg dahin können wir schon etwas Feststimmung schnuppern: Der Süssigkeiten-Stand steht bereit und auch verschiedene Essenstände, auf welche wir uns schon freuen.
Beim Willkommensgetränk entscheiden wir uns verantwortungsvoll für den Apfelsaft und nicht den Weisswein, auch wenn die Stimmung schon fast dazu einlädt. Nach dem Einsingen sitzen wir mit drei anderen Chören in einer etwas zu warmen Mehrzweckhalle und warten auf unseren Auftritt. Dann geht es mit dem Weinglas in der Hand auf die Bühne – das Weinglas ist für “Stars” von Eriks Ešenvalds.
Das erste Lied wird angestimmt. “Das kranke Mägdlein” oder das “Donnerlied”, wie wir es inzwischen nennen. Beim ersten Akkord werden wir durch ein unangenehmes, hohes Pfeifen unterbrochen – eine Rückkopplung der Mikrofone. Timon, unser Dirigent, winkt ab, die Mikrofone werden abgestellt, nun können wir ohne weitere technische Schwierigkeiten loslegen. Für das zweite Lied nehmen wir die Gläser, schon das Einstimmen erzeugt einen sphärischen Klang. Die mystische Atmosphäre kommt beim Publikum gut an, wir ernten Applaus, obwohl eigentlich erst am Schluss applaudiert werden sollte. Das letzte Lied, “O du stille Zeit”, arrangiert von Simon Wawer, bringen wir auch noch auf die Bühne und sind am Ende mehr oder weniger zufrieden.
Nachdem auch die verbleibenden zwei Chöre gesungen haben, ist das Konzert vor Experten vorbei und wir können unser Tenue gegen sommerlichere Kleider tauschen, denn es ist heiss. Sehr heiss. Nun gibt es den wohlverdienten Apéro.
Beim Expertengespräch sind wir alle dabei. Als der Experte nach einem allgemein guten Feedback auf Details eingeht, wie dass wir eine spezifische Note punktiert singen sollten, wird mir bewusst, dass unsere Leistung wohl schon gut war. Die Note 5.5 (von 6) wiederspiegelt diese erste Ahnung.
Danach ergeben sich verschiedene Grüppchen, einige lernen Chöre kennen und knüpfen neue Bekanntschaften, andere schlendern über das Gelände und essen Softice, wieder andere ruhen sich etwas im Park aus und geniessen das schöne Wetter. Ich höre mir in der angenehm kühlen Andreaskirche die Singfrauen Winterthur und Cantaurora an, bevor es dann zum Festbankett ins riesige Festzelt geht.
Dieses Festzelt ist für mich der Inbegriff eines Chorfestivals. Schon als wir reinkommen ist ein Chor am singen und ich kann mich an keinen Moment im Zelt erinneren, in dem nicht jemand gerade ein Ständchen gesungen hat. Teils steht das Lied im Vordergrund, oftmals aber wohl eher die Lautstärke und die Geselligkeit. Im Anschluss lassen wir den Abend ausklingen, bis wir uns nicht all zu spät auf den Weg zurück ins Hotel machen.
Der zweite Tag beginnt früh. Zurück in Gossau singen wir am Begegnungskonzert mit dem Gospelchor Sachseln und XangKlang in der sehr kleinen, sehr runden Friedberg Pallotti-Kapelle. Im Anschluss erfreuen wir noch das Altersheim VitaTertia mit unseren Liedern und damit ist für uns der offizielle Teil vorbei. Wir sind alle etwas müde und ausgesungen. Einige bleiben noch für das Konzert der Männerstimmen, während ich mich auf den Weg nach Hause mache und das Wochenende zufrieden Revue passieren lasse.